slawischem Akzent, der den Arm um eine gutgekleidete Dame gelegt hatte, bat ihn, von der Tür wegzutreten. Der junge Mann mußte sich sichtlich anstrengen, in die Realität seiner Gegenwart zurückzufinden. Er entschuldigte sich bei dem Paar und ging dann, ein leicht wehmütiges Lächeln auf den Lippen, die Denman entlang. Eine Hand ließ er hängen und fuhr damit sanft durch die Blätter der Grünpflanzen, die die Terrasse des Straßencafe's vom Bürgersteig trennten.
Vicki ließ den Hunger hochkommen.
In sicherem Abstand folgte sie dem Lied des Blutes, bis der Mann dann die breiten Stufen zu einem vierstöckigen Viktorianischen Sandsteingebäude an der Barclay Street emporzusteigen begann. Als sein Schlüssel im Schloß der Haustür steckte, trat Vicki aus der Nacht hervor, legte dem jungen Mann die Hand auf die Schulter und drehte ihn zu sich um. Irgendwo in den Tiefen seiner Augen, die fast so silbergrau leuchteten wie Vickis eigene, sah sie, daß er sie erwartet hatte.
Denn er wollte so gern an das Geheimnisvolle glauben.
Also schenkte sie ihm ein Geheimnis, an das er würde glauben können.
„Was meinst du: Wer von beiden ist zuerst wieder da?"
„Henry." Celluci zappte durch diverse Kanäle und fragte sich verärgert, warum sich jemand, der so viel Geld hatte wie Fitzroy, keinen besseren Fernseher kaufte. Für seine Stereoanlage hatte er, so wie es aussah, ein kleines Vermögen bezahlt. „Es ist Montag nacht, da wird da oben in den Bergen nicht viel Verkehr sein, und er kommt gut durch."
„Er wird wahrscheinlich trinken wollen, ehe er herkommt, denke ich. Damit er nicht überreagiert."
„Wegen Vicki? Soll ich mal raten: Das hat sie mit einkalkuliert. Henry erwartet Vicki hier, wenn er eintrifft, also wird sie dafür sorgen, daß sie nicht da ist, auch wenn sie sich auf der anderen Straßenseite verstecken muß, damit sie auf jeden Fall mitbekommt, wie er vorfährt." Celluci zappte durch drei Fernsehkomödien - alle vom selben Produzenten gedreht, zwei davon aus den siebziger Jahren —, eine Episode der klassischen Version von Raumschiff Enterprise, die er bestimmt schon hundert Mal gesehen hatte und mußte danach zu allem Überfluß feststellen, daß vier
verschiedene Sender das gleiche Fußballspiel übertrugen. „500 Kanäle, und auf 499 läuft immer nur Scheiße. Was ist das hier?"
Tony steckte den Kopf durch die Küchentür, wo er die Reste ihrer gemeinsamen Mahlzeit beseitigte. „Eine regionale Talkshow", sagte er, nachdem er sich die Sache ein paar Minuten angesehen hatte. „Patricia Chou. Die ist knallhart. Eine meiner Lehrerinnen an der Abendschule sagt, die Frau mache Kamikazereportagen. Weil sie nach der ganz großen Story sucht, mit der sie dann bei einer der überregionalen Fernsehgesellschaften landen kann. Im Stadtrat hat die Hälfte der Mitglieder Schiß vor ihr, und ich habe gehört, sie würde eher ins Gefängnis gehen, als Informationsquellen preiszugeben. Wer der alte Mann ist, weiß ich nicht."
„Der alte Mann", schnaubte Celluci erbost, „ist ungefähr zehn Jahre älter als ich!"
Tony zog sich weise zurück.
Auf dem Bildschirm runzelte Patricia Chou die Stirn und sagte: „Sie wollen also damit sagen, Mr. Swanson, die Ängste, die viele Menschen haben, wenn es um Organspenden geht, seien völlig unbegründet?"
.Ängste", verkündete ihr Gast, „basieren oft auf einem Mangel an Wissen."
Eine gute Antwort. Celluci warf die Fernbedienung auf die Glasplatte des Beistelltischchens - Fitzroy hatte eindeutig eine Vorliebe für zerbrechliche Möbel - und lehnte sich zurück, um in Ruhe zuzuschauen.
Auf dem Bildschirm lehnte Swanson sich auf ähnliche Art und Weise zurück und blickte mit der Selbstsicherheit eines Mannes, der schon oft Interviews überstanden hat, in die Kamera. „Wir wollen uns diese Ängste einmal der Reihe nach ansehen. Erst einmal haben Menschen, die über Geld oder Beziehungen verfügen, keine besseren Chancen auf ein neues Organ. Der Computer findet für jedes zur Verfügung stehende Organ den bestgeeigneten Empfänger. Da geht es um die Blutgruppe, Größe, die Krankheit des Patienten und darum, wie lange dieser bereits auf der Warteliste gestanden hat."
Patricia Chou lehnte sich vor und streckte einen schlanken Zeigefinger aus, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen. „Aber was sagen Sie in diesem Zusammenhang zu den Berichten, denen zufolge einige Prominente Organspenden erhalten haben?"
„Ms. Chou: Wenn Sie sich die Sache genau ansehen, werden Sie feststellen, daß in diesem Fall das Problem bei der Berichterstattung liegt. Über diese Prominenten wird berichtet, weil sie berühmt sind und nicht, weil bei ihnen eine Organtransplantation vorgenommen worden ist.